Ich persönlich finde Erfahrungen und Sichtweisen von Menschen interessant, die Wege bereits gegangen sind, die ich noch vor mir habe. Vielleicht geht es Euch ja auch so. Daher wird es hier im Blog nun ab und an auch Interviews mit Unternehmer:innen geben, welche etwas von ihrem Erfahrungsschatz im Bereich Gründung etc. mit Euch teilen.
Den Anfang macht Wibke Ladwig in nachstehendem Interview über ihren Gründungsweg und ihre Erfahrungen der ersten Jahre bis heute.
Hallo Wibke. Stell Dich doch meinen Lesern bitte zunächst kurz vor.
Ich heiße Wibke Ladwig und lebe in Köln. Als Social Web Ranger begleite ich Unternehmen im Landschaftsraum Internet, und als Ideenkatalysatorin entwickle ich mit ihnen ein lebendiges, kreatives Storytelling für ihre Kommunikation.
Außerdem bin ich eine der Herbergsmütter, mit denen ich Kreativitätscoaching und Veranstaltungen zur Kulturvermittlung anbiete.
Seit wann bist Du selbständig und warum bist Du diesen Schritt gegangen?
Ich habe mich im Januar 2010 selbstständig gemacht, also vor nunmehr fast fünf Jahren. Damals stand ich vor der Entscheidung, mir entweder eine ähnliche Stelle bei einem anderen Unternehmen zu suchen oder in die Selbstständigkeit zu gehen. Denn der Verlag, bei dem ich sechs Jahre lang als Online Manager beschäftigt war, zog von Düsseldorf nach Mannheim.
Die Entscheidung für die Selbstständigkeit hatte ganz unterschiedliche Gründe: zum einen gab es ein Outplacement und damit Unterstützung durch Berater. Zum anderen lag für mich eine solche Entscheidung in der Luft, sowohl fachlich als auch aus dem Bedürfnis nach mehr Unabhängigkeit und Entwicklung heraus.
Sehr wichtig war aber auch die Unterstützung durch meinen Partner und meine Familie. Zugute kam mir sicher auch, dass mein Vater selbst über dreißig Jahre selbstständig war und ich damit ungefähr wußte, was auf mich zukam.
In welchem Bereich hast Du Dich selbständig gemacht?
Seit 2010 hat sich mein Leistungsangebot ziemlich verändert bzw. konkretisiert. Zu Beginn war ich vor allem Dienstleister, also externer Online Manager, und Beraterin für Verlage. Da ich seit 1998 in der Buchbranche arbeitete und dort gut vernetzt war, lag dies nahe. Mit der Zeit hat sich mein Fokus verschoben. Zwar arbeite ich immer noch für die Buchbranche, aber mittlerweile auch für Unternehmen und Institutionen anderer Branchen.
Außerdem bin ich von Anfang an als Dozentin an verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig, momentan die Donau-Universität in Krems und die Universität Köln.
Für mich ist entscheidend, dass es im guten und ehrlichen Sinne nachhaltige und wertschöpfende Projekte sind, für deren Kommunikation ich Ideen, Konzepte und Strategien entwickle und auch umsetze. In den Disziplinen Storytelling, Kreativität und Ideenfindung bin ich einfach gut. Hieraus schöpfe ich auch Themen für Vorträge. Das musste ich erst selbst herausfinden und daraus Angebote entwickeln.
Selbstständigkeit ist mehr ein Prozess als eine Stellenbeschreibung auf einer Steintafel.
Welches sind Deine Erkenntnisse aus Deiner bisherigen Selbständigkeit, was hast Du für Dich gelernt?
Es heißt immer, es brauche drei bis fünf Jahre, bis eine Selbstständigkeit „laufe“. Ich habe erst im Laufe der Zeit erkannt, dass es sich genauso verhält. Die erste Lektion war also eine in Geduld und Beharrlichkeit. In diesen fast fünf Jahren habe ich sehr viel über mich, meine Fähigkeiten und meine Schwächen gelernt.
Als Einzelunternehmerin bin ich alle Abteilungen eines Unternehmens in einer Person. Während die Kreativabteilung brummt, schwächelt etwa die Buchhaltung. Hierfür muss man selbst Strategien entwickeln. Ein anderer tut es ja nicht.
Der Vertrieb ist auch so eine Sache: die eigene Leistung angemessen zu verkaufen, ist eine Sache von Erfahrung und Dazulernen. Nach wie vor bin ich für jeden Kunden froh, dem von sich aus an einer fairen Bezahlung gelegen ist, ohne dass wir unwürdig miteinander schachern müssen. Und, ja, diese Kunden gibt’s wirklich. Alles in allem habe ich durch meine Selbstständigkeit enorm viel über mich gelernt – und tue es noch.
Immer wieder liest man, dass Frauen in der Gründerlandschaft deutlich unterrepräsentiert sind. Sind Frauen Deiner Meinung nach benachteiligt, wenn es um das Thema Gründung eines Unternehmens geht und wenn ja, wo siehst Du die grössten Hürden?
Ich frage mich auch oft, warum Frauen weniger sichtbar sind. Ob als Gründerinnen, als Speaker oder in den Medien. Nun mag es daran liegen, dass es weniger gibt. Aber ich habe den Eindruck, die Gründe sind vielfältiger.
Mir fällt immer wieder auf, dass Frauen selbst auf Barcamps, in denen sie zahlenmäßig sogar oftmals überrepräsentiert sind, seltener eine Session anbieten. Auch in der Buchbranche, in der mehr Frauen als Männer arbeiten, sind bei Branchenveranstaltungen die Männer auf den Podien und erklären den Frauen die Welt. Über die Gründe kann man nur rätseln. Ich denke, es ist ein Prozess.
Mein Eindruck ist eher, dass viele gar nicht auf die Idee kommen, sich selbstständig zu machen. Was im Grunde kein Wunder ist, weil diese Option weder in Schule noch in den meisten Studiengängen ein Thema ist. Wenn dann noch Kinder dazukommen, spielt die finanzielle Sicherheit natürlich auch eine nicht unerhebliche Rolle. Wer selbstständig ist, wird in der Regel immer mit einer gewissen Unsicherheit in finanzieller Hinsicht rechnen müssen.
Hast Du den Schritt in die Selbständigkeit je bereut und würdest ihn auch heute erneut gehen?
Es gab und gibt in der Tat Momente, in denen ich mich in ein Angestellten-Dasein wünsche. Meist hängen diese mit bürokratischen Herausforderungen zusammen. Unwürdiges Verhandeln über Honorare oder die Dauerurlaube anderer können die Moral auch beschädigen. Aber alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung und ich schätze es, selbstbestimmt und kreativ arbeiten zu können. Ich weiß nicht, wie ich reagierte, wenn ein feines Unternehmen oder eine fabelhafte Institution mit einem unmoralischen Angebot auf mich zu käme. Es wäre auf jeden Fall keine leichte Entscheidung.
Welche Tipps kannst Du potentiellen Gründer:innen aber auch Unternehmer:innen geben die noch am Anfang ihrer Selbständigkeit stehen?
Mir persönlich hat der Austausch mit anderen sehr geholfen. Wer mit anderen Selbstständigen spricht, erfährt, dass im Grunde alle dieselben Zweifel, Fragen und Probleme plagen, insbesondere in der Anfangszeit. Gerade für Einzelunternehmer:innen kann Social Media als Großraumbüro sehr hilfreich sein, in dem man sich gegenseitig unterstützen kann.
Ausserordentlich wichtig finde ich, dass man mit seinem Partner und seiner Familie in Kontakt bleibt. Selbst wenn die Selbstständigkeit einen aufzusaugen droht, sollte man sich immer Zeit einräumen, was Nicht-Geschäftliches mit Menschen oder etwas Gutes für sich selbst zu machen. Genügend zu schlafen. Den Blick auf die Welt nicht zu verlieren. Und auch mal nichts zu tun. Geschäftigkeit alleine ist noch kein Geschäft.
Vielen Dank Wibke, für das Gespräch.
Ihr findet Wibke online über Ihre Webseite, bei Facebook, Twitter sowie Google+. Über die Kooperation Herbergsmütter, welche Wibke oben erwähnte, könnt Ihr Euch hier informieren.
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Ich kann eigentlich Alles, was Frau Ladwig im Interview sagt unterschreiben. Als ich mich mit meiner Werkstatt für traditionellen Holzbogen- und Pfeilbau selbständig gemacht habe, hatte ich darüberhinaus noch ein weiteres großes Problem, daß auch noch nach fast 8 Jahren „ernsthafter“ Selbständigkeit fortbesteht – Banken und Versicherungen!
Sobald man sich in einer etwas exotischen Nischen selbständig macht, wird es ungeheuer aufwändig und anstrengend mit diesen Branchen umzugehen.
Man passt nicht in die vorgefertigten Kategorien und Schemata. Das führt dazu, daß man entweder direkt als Kunde abgelehnt wird oder Versicherungen und Kredite werden exorbitant teuer.
Da ist es ungeheuer hilfreich einen engagierten Berater zur Hand zu haben.
Es hat mich und meinen Versicherungsmenschen zum Beispiel mehr als 2 Jahre gekostet, eine Versicherung zu finden, die bereit und in der Lage war meine Werkstatt samt Inhalt zu vernünftigen Konditionen zu versichern. Die Meisten denken halt Holz = Schreinere = große Maschinen = große Mengen Sägemehl, Farben und Lösungsmittel = großes Risiko => Hohen Prämien und Mindestversicherungssummen.
Bei den Banken sieht es meiner Erfahrung nach ähnlich aus. Entweder man fragt nach Existenzgründungskrediten in Höhe von einigen 10.000€ oder man kriegt gar nix.
Aber einfach mal 5.000€ um zwei neue Maschinen zu kaufen, oder einen entsprechen Dispokredit für das Geschäftskonto, das ist nicht drin.
Ein schönes Interview! Man kann sich vor der Gründung kaum vorstellen, was es bedeutet, sich um (fast) alles selbst zu kümmern. Als One-Woman-Show ist man (Netzwerk hin oder her) eben wirklich zugleich die Marketingabteilung, die Buchhaltung etc. , etc. Sehr schön, wenn sich dann Menschen bewerben und ihr Schreiben an die „Personalabteilung“ richten. 🙂
Guter Ansatz: Social Media als Großraumbüro! Das Angenehme daran, man kann selbst entscheiden, wann es „lauter“ wird.
Beste Grüße
Huberta Weigl
EIn tolles Interview. Ich gehöre ja schon fast zu den alten Hasen, überwiegend selbständig seit rund 18 Jahren. Ich habe alles erlebt. Vom Rausch der Selbstbestätigung und des Geldverdienens bis hin zu schlaflosen Nächten, nicht wissend wie ich im nächsten Monat die Miete bezahlen soll. Habe ich es bereut, mich selbständig gemacht zu haben? Nein. Habe ich es verflucht, selbständig zu sein? Ja, in diesem dunklen Stunden oft. Würde ich es wieder machen? Sofort! Empfehle ich es, insb. Frauen? Unbedingt! Selbstbestimmt und „frei“ zu arbeiten ist sicherlich manchmal Stress, aber die Befriedigung, die es gibt ist mit nichts aufzuwiegen.