Social Media, neue Medien, Internetzeugs – es gibt viele Bezeichnungen für Twitter, Facebook etc. Für manche Menschen sind diese Dienste die mit tollste Erfindung ever und für andere Teufelszeug. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich ziemlich viel bewegt. Dennoch ist es für nicht wenige immer noch irgendetwas zwischen Zeitverschwendung und „nur was für die jungen Leute“.

Foto: Randen Pederson https://www.flickr.com/photos/chefranden/14235193359/ CC-BY (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Ich kann solche Sichtweisen sogar ein Stück weit verstehen, erschliesst sich doch der Sinn in Twitter, Facebook oder anderen Netzwerken nicht direkt auf den ersten Blick. Auch wenn man versucht selbst damit anzufangen brauchen manche Dienste so ihre Zeit um ihre Faszination zu entfalten. Aber selbst für einige die soziale Netzwerk recht stark nutzen, ist da zwischen dem Internet und dem realen Leben immer noch eine Trennung. Besonders ausgeprägt merkt man dies bei Kommentaren in diversen Blogs, auf Facebook oder eben auch Twitter. Das was manche dort äussern würden sie von Angesicht zu Angesicht wohl nur in den wenigsten Fällen ebenso sagen.

Aber diese sozialen Netzwerke sind für mich und viele andere Menschen weit mehr als irgendein Dienst. Es bilden sich hier Gemeinschaften, Bekanntschaften und nicht selten sogar Freundschaften. Vor 2 Wochen war wieder ein „Klassentreffen“, die re:publica, und es hiess auch hier wieder sehr oft „Ah, Hallo, endlich lernen wir uns auch mal persönlich kennen“. Ich mag diese Momente. In den meisten Fällen bestätigt sich der digitale Eindruck auch analog. 

Im letzten Jahr war einer dieser Hallo-Moment mit Kai-Eric Fitzner. Er war mir ab und zu bei Twitter „begegnet“. Dann sass ich auf der re:publica 2014 mit ein paar Leuten zusammen, einer davon Kai. Super sympathisch, sprach von interessanten Dingen und auch wenn es nur ein paar Stunden waren die wir persönlich miteinander verbrachten, blieb der Eindruck: toller Typ, spannend, interessante Einstellung zum Leben und den Dingen darin. Einer der tollen Momente der letzjährigen re:publica.

Für dieses Jahr war eigentlich ein Wiedersehen angedacht, Kai sagte den jedoch kurzfristig ab. Ich fand das schon etwas schade, aber dachte klar, kann ja jedem mal etwas dazwischen kommen. Dann, vor 3 Tagen, der Schock (anders kann ich das nicht ausdrücken). Kai geht es gesundheitlich sehr schlecht, es sei kritisch, schreibt Johannes in einem Blogartikel. Später schreibt seine Frau, er liege im Koma. Es ist unklar wie sich sein Gesundheitzustand entwickelt. Nicht dass dies nicht schon schlimm genug ist, dass die Frau und die 3 Kinder um den Mann und Vater bangen. Hinzu kommt, dass Kai sich gerade selbständig gemacht hatte. Da seine Frau gerade in ihrem Zweitstudium steckt, ist neben der gesundheitlichen Situation von Kai auch die finanzielle Situation der Familie kritisch.

Eines von vielen Risiken von Selbständigen: solange das Geschäft läuft alles super. Fällt man aus, wird es schnell kritisch. Denn die soziale Absicherung gibt es hier in der Regel nur, wenn selbst vorgesorgt hat, was gerade zu Beginn einer Selbständigkeit oftmals am notwendigen Kapital scheitert. Und selbst wenn selbst vorgesorgt, in den seltensten Fällen zahlt irgendeine Versicherung direkt ab Tag 1 eines Ausfalles.

Ich bin ich selbst auch gerade krank und nur sehr sehr eingeschränkt einsatzfähig. Nichts, was auch nur ansatzweise mit dem Zustand von Kai und dem seiner Familie vergleichbar wäre. Kai hat es ziemlich schwer getroffen. Für die Familie in vielerlei Beziehung derzeit eine schwierige Situation.

Traurige Geschichte, ja ja. Kann man nix machen, was? Was gibts noch Neues? – So könnte das nun enden, oder? Tut es aber nicht. Dieses Internet zeigt gerade mal wieder, wie toll es ist, und dass sozial in soziale Netzwerke seine Berechtigung hat. Nachdem Blogartikel von Johannes Korten, griffen auch einige andere BloggerInnen die Situation auf. Auch grössere Medien wie die Süddeutsche, Spiegel Online, NTV etc. berichten darüber. 

Kai hatte vor einigen Jahren ein Buch veröffentlicht. Wussten viele sicherlich bis Anfang dieser Woche gar nicht, wie ich auch. In seinem Artikel rief Johannes dazu auf, eben jenes Buch zu kaufen, zu verschenken etc. um der Familie damit ein Stück weit zu helfen. Da scheinen mehr als nur 2-3 Leute gelesen und gehört zu haben: von einem bisherigen Listenplatz jenseits der 100.000 beim Onlinehändler Amazon, schoss das Buch auf Platz 1 der Verkaufscharts. Ein schönes Beispiel, was die Gemeinschaft erreichen kann. Es gibt zwischenzeitlich auch eine Bankverbindung, die Johannes eingerichtet hat, über welche man direkt unterstützen kann. Ich habe mich für diesen Weg entschieden, da hierdurch die komplette Summe bei der Familie ankommt. Nichtsdestotrotz ist der Kauf des Buches und der Platz 1 dadurch ein tolles Signal, ohne welches die grösseren Medien vermutlich auch gar nicht berichtet hätten. Das Hashtag #einBuchfürKai ist auch ziemlich viel zu lesen. Und wie Johannes gestern spät noch mitteilte, sind die ersten Unterstützungseuros bereits an die Familie weitergeleitet.

Manche von Euch mögen sich jetzt denken, „Warum schreibt der das? Warum hier, passt doch gar nicht thematisch und so…“. Das sehe ich anders. Einerseits schreibe ich es, da ich Kai persönlich kennenlernen durfte, der Situation dadurch irgendwie doch etwas näher stehe als wäre er vollkommen unbekannt. Weiterhin finde ich, kann man solche Dinge nicht oft genug teilen. Zeigen, dass dieses Internet mehr ist als nur Einsen und Nullen, mehr als Klamauk und Trollkommentare. Auf jeden Fall zeigen solche Beispiele, dass es nicht lohnt, hier noch weiter Grenzen zu ziehen. Es vermischt sich. Es zeigt, dass auch vermeintlich flüchtige Onlinekontakte weit mehr sein können, also nur ein Klick zwischendurch. Und es zeigt, dass es wichtig und hilfreich ist, ein Netzwerk zu haben, dass da ist, wenn Hilfe und Unterstützung von Nöten ist. Nicht nur als für Selbständige, aber vielleicht für diese besonders.

Danke an Johannes für den Anstoss des Steines, danke an alle, die diesen Stein am Rollen halten – durch den Buchkauf, Direktunterstützung, durch das Teilen des Themas. Kais Frau Raja, seinen 3 Kindern und seiner Familie und Freunden viel Kraft und Kai eine baldige Genesung. Die nächste re:publica kommt und viele freuen sich, Dich dort wiederzusehen.

Alle Infos (Bankdaten, Buchlink etc.), welche auch stets aktualisiert werden, gibt es auf einer extra Seite bei Johannes.

Bild: Randen Pederson via Flickr (CC-BY 2.0)