Vor etlichen Jahren gab es einen Tag, auf den ich mich besonders gefreut hatte. Der Tag an dem ich 18 geworden bin. Die Volljährigkeit ist doch schon ein klein wenig etwas Besonderes. Wenige Jahre später begann ein Lebensabschnitt, der mich zu dem heutigen Tag führte, an dem ich ein zweites Mal eine Volljährigkeit begehen darf: die Volljährigkeit meiner Selbständigkeit.

Heute auf den Tag genau unterzeichnete ich die Gewerbeanmeldung für mein kleines Unternehmen, welches nun schon seit 18 Jahren einen nicht ganz unwichtigen Teil meines Lebens einnimmt. 18 Jahre voller Höhen und Tiefen. Aber alles der Reihe nach.

Happy Birthday (pixabay - Pexels)

Die Idee, ein eigenes Unternehmen anzumelden, hatte ich davor eigentlich überhaupt nicht. Kurz vor dem Ende meiner Lehre ging die Firma, in welcher ich meine Lehrzeit absolvierte, leider in Insolvenz. Um überhaupt etwas in der Tasche zu haben, entschied ich mich, die Lehre auf eigene Kosten zu beenden.

Direkt im Anschluss dann Arbeitslosigkeit. Was sich die ersten 2-3 Wochen noch gut anfühlte, Zeit für sich zu haben, nicht immer früh 6 Uhr auf dem Betriebshof sein zu müssen etc. Dennoch: es wurde mir dann recht schnell langweilig. Es fehlte etwas. Ich habe einen Bauberuf gelernt, mir war jedoch bereits während der Lehre recht schnell klar, dass dies nichts auf Dauer für mich sein wird. Aber was tun?

Damals, 1999, da waren Handys so richtig das grosse Ding und ich interessierte mich für diesen Bereich sehr. Von Freunden und Bekannten recht oft um Rat gefragt, welcher Tarif oder welches Gerät denn zu empfehlen sei, dachte ich mir nach etwas über einem Monat so zu Hause rumsitzen: Hey, vielleicht machst Du Dich in dem Bereich selbständig?

Vor 18 Jahren war ich diesbezüglich – ohne jedwede Kenntnisse im Bereich Betriebswirtschaft oder allgemein was es bedeutet, ein Unternehmen zu haben – ziemlich naiv. Diese Erkenntnis kam jedoch erst etwas später. Ich erkundigte mich, was es braucht um diesen Weg zu gehen. Dies war nicht viel: einen Ausweis und 30 DM (für die Gewerbeanmeldung). Ersteres hatte ich sowieso, letzteres auch gerade noch. Also auf zum Gewerbeamt und mein kleines Unternehmen angemeldet.

Dank der Unterstützung meiner damaligen Ansprechpartnerin auf dem Arbeitsamt, welche mir den Rücken bzgl. Vermittlungsvorschlägen etwas frei gehalten hatte, bekam ich die Chance, das Ganze ca. 6 Monate als „Nebengewerbe“ auszuprobieren. Dies führte mich dann im September 1999 zu der finalen Entscheidung, es auch offiziell als „Hauptjob“ zu machen.

Lernprozesse

In den ersten Jahren kämpfte ich täglich mit mir selbst, dem wenig vorhandenen Selbstvertrauen und dem noch weniger vorhandenen Wissen, was es heisst, Unternehmer zu sein. Retrospektiv muss ich feststellen, habe ich in den ersten Jahren doch ziemlich viel Geld aufgrund von Fehlentscheidungen verbrannt, was oftmals meiner Naivität zu verdanken war.

Es ging so langsam vorwärts. Ich baute Beziehungen zu Lieferfirmen auf, zu Providern, Netzbetreibern. Ich wurde von Freund:innen empfohlen, bekam auch die ersten Geschäftskund:innen. Es entwickelte sich so langsam aber stetig. Mein rückblickend wohl grösstes Manko zu der Zeit: Aquise. Kund:innen fallen eben nicht vom Baum.

Nach einigen Jahren war ich die Diskussion um Preise und den Vergleich mit Prospekten aus den Grossmärkten leid und konzentrierte mich mehr und mehr auf den Bereich der Geschäfts- und Firmenkund:innen. Dies bedeutete jedoch auch mehr Kampf mit mir und meinem Selbstbewusstsein. Als junger, unerfahrener „Hüpfer“ gestandenen Unternehmer:innen gegenüber zu stehen und ggf. deren frühere Entscheidungen in Frage zu stellen und bessere Optionen aufzuzeigen, das war anfangs nicht einfach. Aber ich biss mich durch und überwand Niederlagen und Absagen. Es nagte an mir, dies kann ich nicht leugnen. Aber aufgeben wollte ich auch nicht.

wichtige Entscheidungen

Die Jahre vergingen, manche waren geschäftlich betrachtet besser, andere wieder schlechter. Ich hatte mein Auskommen, war auch nicht unglücklich. Aber als so richtig „erfolgreich“ konnte man das, was ich tat, vielleicht auch nicht unbedingt bezeichnen. Um 2006/2007 ging ich aus privaten Gründen nach Jena. Der Geschäftsbereich hatte sich zwischenzeitlich deutlich erweitert. Gemeinsam mit einem Freund, welcher sich wenige Jahre nach mir ebenfalls selbständig gemacht hatte, boten wir ein breites Spektrum an Leistungen an. Vom einfachen Tischtelefon, über Geschäftskundenrahmenverträge im Mobilfunk, Telefonanlagen bis hin zu Server- und Netzwerktechnologie. Zu der Zeit hatte ich dann auch mein erstes externes Büro und stellte auch jemanden fest ein. Es war eine neue Erfahrung, neben der Verantwortung für sich selbst, auch noch die für eine weitere Person zu übernehmen.

Ende 2008 dann die wirtschaftliche Krise. Kund:innen brachen weg, Rechnungen wurden teilweise nicht mehr beglichen, meine hart erarbeiteten Reserven, auf die ich irgendwie schon sehr stolz war, waren nahezu aufgebraucht. Vor allem aufgebraucht um die Stelle meiner Mitarbeiterin zu halten. Dennoch kam ich dann 2009 an einen Punkt, an dem ich mir eingestehen musste: Du musst jetzt auch mal an Dich denken. Wenn Du pleite gehst, steht sie auf der Strasse, Du aber auch und Du hast dazu noch den Ars.. voll Schulden. Das wollte ich nicht.

Jemanden zu entlassen, noch dazu jemanden mit dem Du befreundet bist, deren private Situation Du kennst, das fiel mir sehr schwer. Aber es half alles nichts. Ich musste sehen, dass ich selbst wieder „auf die Beine“ komme. Glücklicherweise konnten wir eine Stelle in einem anderen Unternehmen finden, so dass ich mir um die Zukunft meiner (ehemaligen) Mitarbeiterin keine (bzw. weniger) Sorgen machen musste.

Herausforderung (pixabay - Unsplash)

Das war auch der Zeitpunkt, an dem ich für mich überlegte: was willst Du eigentlich geschäftlich in der Zukunft tun? Was kannst Du gut? Was macht Dir Spass? Welche Richtung willst Du einschlagen?

Damals war der Bereich Beratung, Verkauf und Support für Lexware Software schon mit der stärkste Geschäftsbereich. Vor allem war der Support und die Beratung das, was mir besonders viel Freunde bereitete. Menschen zu helfen, zu unterstützen. Das wollte ich und vor allem glaube ich, dass es das ist, was mir auch sehr gut liegt, was ich gut kann. Ich entschied mich, einen Grossteil der Geschäftszweige „abzustossen“, darunter auch der Bereich, mit dem das Unternehmen begonnen hat: der Telekommunikationssektor. Wieder eine Entscheidung, die sehr schwer fiel. Auch hier kam die Erkenntnis, dass es exakt die richtige Entscheidung war, erst einige Jahre später.

Der Weg ins Internet

Das Jahr 2009 war auch das Gründungsjahr von diesem Blog hier. Entstanden aus Bequemlichkeit, da ich immer wieder gestellte Fragen verschriftlicht auf einer Internetseite stehen haben wollte, so dass ich Kund:innen einfach nur einen Link senden brauchte und diese sich die Antwort bzw. Lösung durchlesen konnten, wann sie es wollten, hat es sich mittlerweile zu einem wichtigen Bereich in meiner geschäftlichen Tätigkeit entwickelt. Es hat mir zudem auch einige Türen geöffnet und Chancen ermöglicht.

Noch vor dem Blog hatte ich eine Community auf XING gegründet, welche sich für Fragen zum Thema Lexware Programme als Austauschplattform anbot. Im Jahr 2014 dann der Wechsel, weg vom Forum auf einer fremden Plattform hin zum Launch meiner eigenen, selbst gehosteten Community lex-forum.net. Ich sah es als sehr gut passende Ergänzung zum Blog und betrachte deren Entwicklung mit Freude und habe immer noch viel Spass daran, täglich im Austausch mit den Nutzer:innen sein zu können.

Letztes Jahr dann der Start meines Podcasts Selbst & Ständig, in dem ich mit Menschen über Ihre Erfahrungen in, um und mit der Selbständigkeit spreche, war die Erfüllung eines weiteren langjährigen Wunsches. Austausch mit anderen Unternehmer:innen und teilen dieser Erfahrungen, so dass Menschen von diesen ggf. profitieren, wenn sie Selbständigkeit als eine mögliche Zukunftsoption für sich in Betracht ziehen.

Viel gelernt, aber noch nicht fertig

Erfolg (pixabay - Unsplash)

Ich habe über die letzten 18 Jahre sehr viel gelernt. Über das Führen eines kleinen Unternehmens, über die Menschen um mich herum, aber vor allem sehr sehr viel über mich selbst. Ich bin gewachsen. An den Aufgaben die sich mir gestellt haben, die ich mir selbst gestellt habe und auch an mir selbst. Ängste überwinden, sich Herausforderungen stellen, auch mal Risiken eingehen ohne zu wissen, ob es am Ende gut ausgeht.

Ich glaube nach 18 Jahren sagen zu können, dass ich diese Entscheidung, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen, nicht bereue. Ich glaube sogar, dass es mit eine der wichtigsten und bedeutendsten Entscheidungen meines Lebens war. Ich habe einen Job, den ich nicht als solchen verstehe. Es ist keine Pflicht, ich muss mich nicht jeden Morgen dazu zwingen. Es macht mir wahnsinnig viel Spass und Freude, ich kann davon leben und werde nicht arm an Ideen, dies und jenes weiter zu optimieren, auszubauen und evtl. fällt mir hier und da auch noch ein neues Projekt ein, was die bisherigen ergänzt. 🙂

Es gab Zeiten, in denen ich auch darüber nachgedacht habe, das Unternehmen zu schliessen, etwas anderes zu tun. Ja, das kam vor, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin: ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo angestellt zu sein, nicht mehr mein eigener Chef. Das liegt mir nicht. Vor allem: ich will das auch gar nicht.

Wichtig ist (auch das ist keine neue Erkenntnis, aber eine wichtige für mich), dass Ihr Menschen um Euch herum habt, die Euch auf einem solchen Weg unterstützen, hinter Euch stehen, für Euch da sind, die an Euch glauben. Bei mir waren und sind das vor allem meine Eltern (Danke! <3) und natürlich meine Frau (<3 <3 <3), welche mit vielleicht kleinen, aber für mich wichtigen Gesten motivierend für mich sind und mich nicht aufgeben lassen.

Auch nach diesen 18 Jahren weiss ich, dass ich mit dem Lernprozess noch lange nicht zu Ende bin. Das Leben und die Geschäftswelt wird mir weitere Herausforderungen stellen. Und ich werde sie annehmen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Mein kleines Unternehmen ist nun volljährig, damit aber erst am Beginn, erwachsen zu werden. 🙂

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