Arbeitnehmer sehnen sich nach einem strickt geregelten Arbeitstag mit festem Feierabend

„Es gibt heutzutage nichts cooleres, als einen 9-5 Job zu haben“, schrieb Hannes Grassegger auf ZEIT ONLINE. Man fragt sich: Hat der Autor da nicht sehr viele Entwicklungen wie die Freiberuflichkeit oder Teilzeit auf dem Arbeitsmarkt verschlafen?

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Arbeitgeberverbände fordern, den 8-Stunden-Tag abzuschaffen. Die Flexibilität der Arbeitnehmer würde sonst erheblich leiden, sagen sie. Sie drängen ihre Angestellten in einen verschwommenen Rahmen: ‚Mach die Arbeit dann, wenn du sie machen möchtest‘, sagen sie, ‚dafür wollen wir, dass du jederzeit für Rückfragen erreichbar bist‘. Arbeitnehmer haben heutzutage immer mehr Freiheiten. Es gibt Gleit-, Teil-, und Elternzeit. Damit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lange nicht gegeben – das ist aber ein anderes Thema.

Eine Frage des Charakters

Ob man das 9-5-Modell [gelesen nine to five, also ein Arbeitstag von 9 – 17Uhr] favorisiert, ist auch eine Charakterfrage. Menschen, die in einem festgesteckten Rahmen kreativ werden, sind besser geeignet, als jene, die nur eine Deadline brauchen und sich den Rest frei einteilen. Grassegger fordert in seinem Artikel fast flehend, dass irgendjemand – also sein Chef – ihm wieder Grenzen vorschreiben, ihn kontrollieren und ihm die Pausenkarte in die Hand drücken möge.

Es ist ein toxisches Modell, das Privates und Berufliches untrennbar macht. Freelancer scheinen es auf den ersten Blick bequem zu haben, wenn sie nur vom Bett zwei Schritte zum Schreibtisch, dem Homeoffice, laufen müssen. Ziemlich vielen fehlen allerdings der Tapetenwechsel und der klar abgegrenzte Feierabend, weshalb sie sich sie sich in Co-Working-Spaces einmieten.

Wirtschaftsfaktor Zufriedenheit

Berichte, dass in Schweden sogar der 6-Stunden-Tag erprobt werde, erwiesen sich weitgehend als vereinzelte Modellprojekte. Doch Experten sagen, dass dieses Model durchaus sinnvoll wäre – die Konzentration- und Leistungskurve sinkt sowieso beispielsweise nach der Mittagspause ab, bei kürzerer Arbeitszeit würde es diese Problematik weniger geben. Die Mitarbeiter wären zufriedener, das Betriebsklima besser und dies würde die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens stärken.

Silvia Follmann zeichnet auf Edition F die Geschichte der Arbeitskultur nach und kommt ähnlich wie Grassegger zu dem Schluss, dass 9-5 eine neue Freiheit bedeute (ihre Beobachtungen stützen sich auf einen Artikel im US-Magazin Atlantic). Es ist die Freiheit, am frühen Abend nach Hause zu gehen und die Arbeit bis zum nächsten Morgen liegen zu lassen.

Bis morgen liegen lassen – das funktioniert dank des Smartphones oft nicht mehr. Einen Text schnell gegenlesen, ein Konzept abnicken – das kann ja auch mal zwischendurch erledigt werden. Auch am Wochenende? Klar, warum nicht, das Handy ist griffbereit. Genau hier liegt der Kern des Problems: ständige Erreichbarkeit.

Es gibt keine Entschuldigung mehr dafür, nicht erreichbar gewesen zu sein. Für wirkliche Funklöcher müsste man nämlich mal eben an den Nordpol reisen.

Für alle die, die 9-5 nicht mögen, hat die Bundeszentrale für politische Bildung ein Dossier mit dem Titel „Nie wieder ‚normal‘ arbeiten“ erschaffen. Dort erzählen Menschen von ihren Überzeugungen einen Weg abseits der vermeintlichen Norm zu gehen.

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